Ab dem Wochenende: Neue Zugsicherungstechnik im Hochflurtunnel
von Volker Eichhorst
Ende 1984 wurde die damalige Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) mit der Ausrüstung des Düsseldorfer Hochflur-Stadtbahntunnels mit einer linienförmigen Zugbeeinflussung des Systems „LZB L90“ beauftragt. Diese Zugsicherungstechnik war damals „Stand der Dinge“ und ermöglichte mit einem weitgehend automatischen Fahrbetrieb besonders kurze Zugfolgen. Mit der „elektronischen Sicht“ der LZB ohne feste Blockabschnitte sollte vor allem auf dem hoch belasteten viergleisigen Innenstadttunnel und im Messe- und Stadionverkehr ein höchstmöglicher Fahrtendurchsatz erreicht werden. Für die damals noch insgesamt acht Kehrgleise hinter dem Hauptbahnhof konnte die LZB auch einen optimalen und zuverlässigen Kehrbetrieb sicherstellen, der bereits die im Zulauf befindlichen Züge berücksichtigte. Es war auch ein fahrerloser Kehrbetrieb angedacht.
Links: Beeindruckende Elektrotechnik aus vergangenen Jahrzehnten: Das Relaisstellwerk im U-Bf. Heinrich-Heine-Allee wird in wenigen Tagen endgültig abgeschaltet. Stellvorgänge im Zugsicherungsbereich erfolgen hier durch Relais, so dass sich eine ständig wechselnde Geräuschkulisse ergibt.
Rechts. „SEL“ war der Hersteller der Düsseldorfer Linienzugbeeinflussung. Dieser Name ist längst nicht mehr am Markt, ebenso wie die noch „handfest“ wirkende Technik heute nicht mehr erhältlich ist.
Die LZB hat sich mehr als 30 Jahre lang bewährt und wurde mit der Ausdehnung des Tunnelnetzes auch auf den weiteren Streckenabschnitten eingebaut. Im Duisburger Innenstadttunnel und (für die Duisburger Linie 901) abschnittsweise auch in Mülheim/Ruhr wurde ebenfalls eine Linienzugbeeinflussung installiert und auch der oberirdische Abschnitt Lörick – Krefeld-Grundend wird von einer LZB überwacht. Allerdings: Seit Jahren wird die Technik nicht mehr angeboten, die Rechner- und Stellwerkstechnik blieben weitgehend auf dem Stand der 1980er Jahre und inzwischen sind auch keine Ersatzteile mehr erhältlich. Mannshohe Relaiswände und Spurplan-Stelltafeln sind zwar immer noch beeindruckende Einrichtungen, aber von der technischen Ausführung her eben nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die bisherige Anlage wird deshalb in mehreren Schritten durch ein elektronisches Stellwerk ersetzt mit einer punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB).
In den 1980er Jahren hatte die LZB in Düsseldorf ein klassisches Zugsicherungssystem mit Blockabschnitten ersetzt, nun beginnt wiederum die Ablösung der LZB durch ein Blocksignal-System. Verwendet wird dabei die Bauart „Zub 222“ von Siemens, die bereits nahezu identisch seit dem Jahr 2016 im Bereich der Wehrhahnlinie (Niederflurstadtbahn, „neuer Tunnel“) im Einsatz ist. Diese Zugsicherung verwendet ortsfeste Signale und gibt den einzelnen Zügen darauf abgestimmte Bremskurven vor mit der Möglichkeit zur Aufwertung über Datenfunk. Mit der Umstellung wird mittelfristig auch der automatische Fahrbetrieb abgelöst durch ein manuelles Steuern der Bahnen durch das Personal.
Der Übergang von der LZB zur PZB erfolgt in der Hochflur-Stadtbahn mit einem mehrjährigen Mischbetrieb, da eine vollständige „Umschaltung“ in einem Schritt nicht möglich ist. Die eingesetzten B80-Stadtbahnwagen können nämlich nicht gleichzeitig mit beiden Zugsicherungen ausgestattet sein, fahren also entweder mit der bisherigen Technik oder (nach Umbau) mit der neuen Ausrüstung. Grund hierfür ist, dass die Zugsicherung bei diesen Fahrzeugen praktisch eine Einheit mit der Fahrzeugsteuerung bildet, was eine wechselweise Umschaltung gar nicht zulässt, selbst wenn die räumlichen Gegebenheiten bestanden hätten. Die zur Ausmusterung anstehenden GT8SU-Triebwagen werden die neue Technik nicht mehr erhalten, der Ersatz in Form der HF6 von Bombardier wird dagegen von Beginn an nur für die PZB ausgestattet sein. Hinzu kommt, dass die LZB-Bereiche auf der Krefelder Strecke und in Duisburg noch mehrere Jahre in Betrieb sein werden, hier also für einen längeren Zeitraum weiterhin nur Fahrzeuge mit bisheriger Technik fahren können.
In den vergangenen drei Jahren wurde das neue elektronische Stellwerk für die hochflurigen Düsseldorfer Tunnelstrecken aufgebaut, die neue Signaltechnik parallel zur alten eingebaut und eine „Schnittstelle“ zwischen neuem Stellwerk und vorhandener LZB-Zuglenkung geschaffen. Am kommenden Wochenende steht nun mit der Abschaltung des alten Relaisstellwerks und der Betriebsübernahme durch das neue elektronische Stellwerk der Beginn des mehrjährigen Mischbetriebes bevor. Der automatische LZB-Betrieb wird also mit teilweise geänderter Technik fortgeführt, während ein paralleler Betrieb unter der PZB beginnt – je nach Fahrzeugausrüstung.
Beginn des Mischbetriebes
Die Umstellung des Regelbetriebes von reiner LZB auf Mischbetrieb LZB / PZB unter dem neuen elektronischen Stellwerk wird am 7. und 8. April 2019 in einer verlängerten Betriebspause erfolgen. Die letzten Fahrten im Düsseldorfer Hochflurtunnel ausschließlich mit „alter Technik“ erfolgen am späten Nachmittag bzw. am frühen Abend des 7. April, mit Betriebsbeginn am frühen Morgen des 8. April soll dann das neue Stellwerk übernommen haben. In der Zwischenzeit wird die alte Relais- und die Spurplantechnik endgültig abgeschaltet, die alten LZB-Signale im Zugsicherungsbereich abgebaut und die dauerhafte Verbindung zwischen den neuen PZB-Signalen und dem elektronischen Stellwerk hergestellt. Außerdem müssen in dieser Nacht nach der dauerhaften Aufschaltung der neuen Technik noch Abnahmen erfolgen, insgesamt ein enger Zeitplan.
Links: Neu aufgebaut wurde eine umfangreiche Schnittstelle zwischen den Operationszentralen und dem neuen elektronischen Stellwerk.
Rechts: Das neue elektronische Siemens-Stellwerk hat mit seinen Rechnerschränken in mehreren Reihen beeindruckende Ausmaße, zeigt aber im Gegensatz zur „lebenden“ Technik des bisherigen Relaisstellwerks und den Spurplantafeln einen eher nüchternen „Charme“.
In den nächsten Jahren erfolgt dann die sukzessive Umrüstung der B-Wagen-Flotte auf „Zub 222“ und noch in diesem Jahr ist die Inbetriebnahme der ersten HF6 vorgesehen, die bereits für die neue Zugsicherungstechnik ausgelegt sind. Eine vollständige Umstellung des Fuhrparks auf die neue Technik kann wie beschrieben aber erst erfolgen, wenn auch die LZB-Bereiche nach Krefeld und in Duisburg abgelöst sind. Nach heutigem Stand wird es deshalb im Düsseldorfer Tunnel noch bis zum Jahr 2024 die Linienzugbeeinflussung mit automatischer Fahrt geben, wenn auch bereits mit neuer Technik im „Hintergrund“.
Für die Zugsicherungsumstellung wird am 7. April der gesamte „alte Tunnel“ ab 18:00 Uhr gesperrt, nur die Nordstreckenlinien U78 und U79 fahren wegen einer Messe noch bis gegen 20 Uhr unterirdisch. Alle Bahnen enden jeweils an den letzten Wendemöglichkeiten vor den Zugsicherungsbereichen (Belsenplatz, Freiligrathplatz / Arena/Messe Nord, Lierenfeld Btf., Werstener Dorfstraße / Universität) und die dazwischen liegenden Abschnitte werden durch Busse ersetzt. Im Einsatz sind drei Ersatzlinien, die je nach Tageszeit und Route alle 7½ bis 20 Minuten verkehren.
Bei aller technischen Komplexität: Vom geänderten Zugsicherungssystem ab 8. April werden die Fahrgäste vermutlich kaum etwas wahrnehmen: Die Züge mit LZB-Ausrüstung werden wie bisher automatisch durch den Tunnel fahren, die vermutlich deutlichste Neuerung sind zunächst die neuen dreifarbigen Lichtsignale. Sobald die ersten für PZB ausgerüsteten Stadtbahnwagen in den Fahrgastverkehr kommen, werden diese Wagen dann manuell durch die Fahrerinnen und Fahrer gesteuert wie auf den Oberflächenstrecken und im Wehrhahntunnel. Bei genauem Hinsehen wird das dann natürlich auch für jeden Fahrgast zu erkennen sein.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben